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  • AutorenbildSabrina

Stillstand - Recap 2019

Ziemlich genau heute vor einem Jahr, empfand ich die gleiche Motivation, Dinge, Projekte und mein Leben anzupacken, wie ich es heute spüre. Also schrieb ich eine Liste mit Dingen, die ich in den folgenden 365 Tagen erreichen wollte. Und dann passierte genau das Gegenteil.

Wenn ich dieses Jahr in einem Wort zusammenfassen sollte, dann wäre es wohl „Stillstand“. Und genau darüber habe ich in unzähligen Instagram-Postings geschrieben.




Zu Beginn des Jahres war ich sehr auf diese Ziele, die vor allem sehr Studiums-fokussiert waren, konzentriert. Diese Ziele waren mir wichtiger, als alles andere, weil ich so unfassbare Angst vor dem Versagen hatte. Also schmiss viele Dinge über Board, die mir eigentlich gut taten, wie Freunde und Familie treffen, Sport, Meditation. Mein Ziel war diese Klausurphasen zu überstehen und zwar gut. Das gelang mir auch weitgehend, aber ich machte mich auch sehr kaputt.

Immer mehr kam in mir ein Druck auf, so viele Prüfungen wie möglich in der kurz-möglichsten Zeit zu schaffen. Vor allem war dieser Gedanke sehr von zwei Seiten geprägt: der Tatsache, dass die Kommilitonen, mit denen ich das Studium begonnen hatte im Sommer ihr Physikum absolvierten, während es mir schwer fiel, Gesundheit und Studium unter einen Hut zu bekommen.

Zum anderen hatte ich das Gefühl, dass ich viel von Menschen umgeben war, die harte Arbeit als Maßstab hatten, Disziplin glorifizierten und persönliche Leistungen ständig als verbesserungswürdig ansahen, anstatt sich mit dem Ist-Zustand zufrieden zu geben. Genau darüber habe ich dann im Sommer einen kompletten Blogeintrag geschrieben: https://fragmentsofliving.com/de/wenn-gib-alles-oder-lass-es-sein-nicht-funktioniert

Ich sabotierte mich quasi selbst. Weil ich so viel Druck auf mich selbst legte, dass mein Körper und meine Psyche unter diesem Druck zusammenbrach. Ich sah mir ein dreiviertel Jahr dabei zu, immer wieder dieselben Kämpfe aufzunehmen, immer wieder kleine Siege zu feiern und beim nächsten Kampf wieder komplett gegen eine Wand zu rennen. Ich änderte meinen Tagesablauf, meine Strukturen, meine Verhaltensmuster und Bam! Wieder gegen eine Wand. Während alle mit ihrem Leben vorankamen, fühlte sich meines wie Stillstand an.

In einer Sache hatte ich also grundlegend versagt: Darin auf mich aufzupassen.

Ich war im Sommer in der Notaufnahme und ein paar Tage im Krankenhaus, weil mein Körper vor Erschöpfung nicht mehr weiter machen wollte. Habe tagelang aus dem Bett heraus gearbeitet. Im Sommer war ich mit meiner Familie im Urlaub. Und anstatt mir konkrete Arbeitszeiten und Erholungsphasen einzurichten, arbeitete ich non-stop auf eine Klausur hin. Und klar, jetzt mögen einige sagen, dass genau das die Sache an einem Studium ist, dass man hart arbeitet und seine Prioritäten auf das Studium und nicht auf die Freizeit legt und da stimme ich auch zu. Aber man kann auch nur hart arbeiten, wenn wir uns davon auch genug erholen. Innerhalb dieser zwei Wochen habe ich genau zweimal das Meer gesehen und dabei war unsere Ferienwohnung nur ein paar Meter vom Meer entfernt. Mit aller Kraft ignorierte ich alle Zeichen meines Körpers, um zu funktionieren, sodass ich am Ende eines Tages, an dem ich zehn Stunden gelernt hatte in einem Restaurant saß und anfing zu weinen, weil die Schmerzen in meiner Lunge von der Überanstrengung so unaushaltbar wurden. Manchmal müssen Unruhen aufkommen, dass wir etwas ändern, dass wir uns weiterentwickeln. Aber die Grenze zwischen der Unruhe für den Moment und dem Unglücklich-Sein, kann sehr schmal sein. Und wenn wir nicht aufpassen, werden wir von dieser Unruhe ein bisschen zu sehr mittgerissen, dass wir stürzen. Ich hatte Tage, an denen ich nicht aufstehen konnte, weil sobald ich aufgestanden war, anfing zu weinen. Nächte, in denen ich nicht schlafen konnte, weil so viele dunkle Gedanken in meinem Kopf waren. Momente, in denen ich nicht wusste, wie alles weitergehen sollte, wenn ich nicht das schaffte, was ich mir vornahm.

Und bevor ich es zu weit trieb, zog ich die Reißleine.

Ich stellte keine Erwartungen an mich und auch wenn es mir verdammt schwer fiel, anderen weiterhin dabei zuzuschauen, wie sie weitermachten, ihr Leben voranbrachten und einem Erfolg dem nächsten hinterherjagten, zwang ich mich zur Pause.


Ich erlaubte mir Gefühle zu fühlen, die ich lange versucht habe zu unterdrücken. Ich stellte mir folgende Fragen: „Was würdest du tun, wenn jegliche Erwartungen anderer Menschen an mich egal wären? Was wäre, wenn Geld nicht wichtig wäre? Und was wäre, wenn die Größe einer Wohnung, die Marken meiner Anziehsachen, mein monatliches Einkommen und der Status meiner Ausbildung, bzw. meines Berufs egal wären?“ Die Antwort ist so simple, wie sie kompliziert ist: Ich würde nach meinen eigenen Werten leben. Ich würde mir meine Herausforderungen selbst stellen und wissen, dass sie mit ein bisschen harter Arbeit erreichbar wären. Ich würde Dinge tun, die meinem Körper und meiner Seele gut tun, weil mein Befinden das Zentrum meiner Realität wäre. Und ich stellte Folgendes fest: Sollte es nicht ganz genau so sein?

Also beschäftigte ich mich mehr mit Persönlichkeitsentwicklung, mit Spiritualität, mit wissenschaftlich fundierten Quellen, wie es einem nachhaltig körperlich und seelisch besser gehen könnte. Nicht um effizienter, sondern zufriedener zu werden. Dem übergeordnet stellte ich die Frage


„Wie lebe ich ein glückliches Leben, in der natürlichsten Form von mir selbst?“

Als Menschen sind wir komplexe Wesen. Uns geht es eben nicht nur darum, unsere angeborenen Bedürfnisse zu befriedigen, sondern wir möchten uns selbst verwirklichen. Und ich habe gemerkt, dass wollen nicht alles ist. Ich kann nicht härter arbeiten, wenn ich dabei meinen Körper und meine Seele vernachlässige. Ich muss mit beiden in einem Team zusammenarbeiten.

Wir sind komplex gestrickt und jeder ist so einzigartig, sodass man nicht alle Leute glücklich macht, indem man die Gesellschaft in eine Schublade steckt, von allen gleich viel abverlangt, um einfach nur zu funktionieren und gesellschafts-normative Ergebnisse und Arbeit zu erzielen. Und ja mir ist klar, dass wir uns nur verändern, wenn etwas unbequem ist. Und ich liebe Veränderungen, neues auszuprobieren etc. Aber genau so bin ich der Überzeugung, dass wir alle mit unterschiedlichen Persönlichkeitsmerkmalen geboren werden. Wir alle interessieren uns für verschiedene Dinge, wir alle entwickeln Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen. Und das ist auch richtig und gut so, denn sonst wären wir alle ja gleich und das wäre ja langweilig. Und deshalb glaube ich, dass wir uns immer auch nur ein Stück weit, von unserem „natürlichen Zustand“ wegbewegen können, um Veränderungen zu schaffen. Und so gibt es Veränderungen, die so weit außerhalb unseres natürlichen Zustands liegen, dass ein Ziel in diesem Bereich eine „Qual“ für diese Person wäre.


So ist es schwer jemanden, der sich stark für Naturwissenschaften und Struktur interessiert, in einen Beruf zu stecken, der von Kreativität, Spontanität und Freiheit zeugt. Schließlich sind wir alle auf der Suche, nach einem glücklichen Leben, in dem wir wachsen und persönlich stärker werden, indem wir aber genauso uns selbst treu bleiben können. Ja wir brauchen Herausforderungen, ohne die wir nicht wachsen würden. Doch die Herausforderungen, denen wir uns stellen sind so individuell wie die Leben, die wir führen.

Manche Hürden sind für einige leichter als für andere und dieselbe Hürde kann für wieder jemand anderen unüberwindbar sein. Also suchen wir Wege, wie wir diese Herausforderung doch meistern können, denn man erreicht mit so viel verschiedenen Wegen dann doch dasselbe Ziel. Doch wenn diese Möglichkeiten ach erschöpft sind, und man sich bei jedem neuen Weg und jedem neuen Versuch doch den Kopf oder das Knie angeschlagen hat, ist es dann nicht sinnvoller, eine andere Hürde zu nehmen?


Außerdem habe ich mich mehr für Politik interessiert, für unsere Erde, das Klima, die Umwelt, Minimalismus, Veganismus, Gesundheit abgesehen von klassischer Medizin und soziale Ungerechtigkeit. Weil es ein Privileg ist, in dieser Welt zu leben und dass ich nicht blind dem Konsum verfallen will. Und diese Themen waren mir auch schon letztes Jahr wichtig für mich, und dieses Jahr haben sie einen noch größeren Teil meines Lebens eingenommen. Also gehören auch diese Themen zu meinem 2019. Schließlich habe ich zu so viel mehr Themen etwas zu sagen, als nur zum Thema Behinderung.

Worauf bin ich dieses Jahr stolz?


Ich habe mich immer mehr und intensiver mit Themen auseinandergesetzt, die mir am Herzen liegen, auch wenn es Tabuthemen sein könnten.

Also schrieb ich nicht nur über Herausforderungen im Studium, sondern auch über tägliche Kämpfe, die die chronische Erkrankung mit sich bringt.

Darüber, was ich sinnvoll oder kritisch bei der Erziehung von Kindern mit angeborenen Herzfehlern oder vergleichbaren chronischen oder angeborenen Krankheiten betrachte.

Darüber, wie sehr es nervt, dass dramatische Bilder, z.B. aus dem Krankenhaus, mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen als die Geschichte an sich. Jemand kann inspirierend sein, auch wenn dieser nicht ständig zwischen Leben und Tod steht, wenn man die Geschichte nur liest, und sie der Person nicht direkt ansieht und auch, wenn man nicht das komplette Privatleben dazu vor der Kamera ausschlachtet.

Ich schrieb über Suizid, Mentale Erkrankungen und den Tod.

Ich habe Fotografie neu für mich entdeckt und verstehe Fotografie immer mehr als Kunst. Probiere mich aus.

Und das tu ich nicht nur durch die Kamera, sondern auch davor. Ich habe mein erstes YouTube-Video hochgeladen. Noch weiß ich nicht, wie weit ich diese Plattform nutzen möchte, habe aber großen Spaß daran.

Meine Geschichte wurde dieses Jahr in der BILD-Zeitung und der WN (Westfälische Nachrichten) abgedruckt. Ich hatte die Chance nach Bonn, Köln, München und ins Phantasialand zu Veranstaltungen zu reisen, bei denen ich über meine Geschichte, Forschung und Vorbildfunktion sprechen konnte.

Und was mir am meisten bedeutete: Ich habe meine erste größere Motivationsrede in der Trafo-Station in Münster gehalten. Dort sprach ich über meine Erfahrungen mit Diskriminierung aufgrund meiner unsichtbaren Behinderung und wie ich mir wünschen würde, wie wir als Gesellschaft mit Menschen mit Behinderung umgehen.

Was habe ich in diesem Jahr hinter mir gelassen und was habe ich besonders festgehalten?


Dieses Jahr habe ich mich mit der Frage auseinander gesetzt, was ich in meinem Leben implementieren will und worauf ich mich mehr konzentrieren möchte, um ein zufriedenes Leben zu führen. Also habe ich für mich ein paar Grundsätze festgelegt, wie dieses Leben aussehen soll. Und alles darum herum habe ich angefangen loszulassen. Ich habe feste Konventionen losgelassen, weil ich hinterfragt habe, was „man sonst schon immer gemacht hat“.

Yoga und Meditation haben mir unfassbar viel gegeben. Und als ich dies aus den falschen Gründen tat, musste ich auch hier pausieren.


Yoga und Sport sind Instrumente für Körper und Seele. Für mich nicht um ein Körper-Ideal zu erreichen oder den Körper am Funktionieren zu halten, sondern eine Wohltat für und mit dem Körper. Alles was ich meinem Körper „antue“ wie Sport, Ernährung und Kosmetik mache ich gleichzeitig auch immer für (oder gegen) den Körper. Ich sollte intentioneller diesem Körper etwas Gutes tun und ihn nicht nur als „Funktionsgerät“ nutzen. Also habe ich meine Ernährung geändert, mein Konsumverhalten und bin viel Achtsamer im Umgang mit Kosmetik- und Pflegeprodukten. Die Menschen, die in mein Leben gehören, habe ich noch stärker einbezogen, sie öfter besucht, sie länger umarmt und ihnen öfter gesagt, wie wundervoll sie sind. Ich bin meiner Spiritualität näher gekommen. Und im kommenden Jahr möchte ich stärker meiner Intuition vertrauen und Selbstzweifel loslassen.

Vorsätze fürs nächste Jahr?


Dieses Jahr schreibe ich auch wieder eine Liste mit Zielen, die ich im kommenden Jahr erreichen will. Und diese Ziele sollen nun vielmehr ein Richtungsweiser sein, für ein Leben, mit dem ich zufrieden bin, als ein Plan, wie ich mich selbst optimieren kann, um in eine bestimmte Rolle oder eine bestimmte gesellschaftliche Position hineinzupassen. Denn eigentlich habe ich schon alles in mir drinnen. Ich muss mir nur die Chance geben, meine Besonderheiten zu entfalten. Ich möchte okay mit mir sein. Ich möchte mich nicht schlecht fühlen für die Tage, an denen ich nicht arbeiten kann, weil mein Körper dies nicht kann.

Ich habe mich mit dem Gedanken beschäftigt, wie es wäre wenn ich etwas durchziehe oder unterlasse, nur um so in eine gesellschaftliche Rolle zu passen. Die Antwort ist: nicht schön. Klar ist es sehr komfortabel sich nicht rechtfertigen zu müssen, keiner großen Kritik ausgesetzt zu sein und gesellschaftlich akzeptiert zu sein.

Aber es würde mich nicht glücklich machen. Wir sind dann glücklich, wenn wir so sein können, wie wir wollen. Und klar unterliegt jede Aktion, die wir in der Interaktion mit anderen Menschen machen, irgendwelchen Konditionen und der Moral. Aber heutzutage haben so viele von uns das Privileg sehr frei zu leben. Zu entscheiden, was wir für einen Beruf wir lernen, wen wir lieben und wie wir uns kleiden wollen. Und dieses Privileg nicht auszuleben und somit nicht man selbst sein zu können weil man Angst vor Verurteilung und schrägen Blicken anderer bedeutet sich selbst einzugrenzen. Und das ist vielleicht der größere Schmerz, als stark und stolz sich über diese paar Leute hinwegzusetzen. Und auch darüber habe ich lang und breit geschrieben.

Also habe ich mich damit beschäftigt, wo meine Reise beruflich hingeht und auch wie es auf